04
November
2019
|
09:03
Europe/Amsterdam

Eine neue Kultur der Tageslichtnutzung

Daylight Symposium Highlights DE

«Gesunde Gebäude» sind der neueste Trend in der Baubranche. Gleichzeitig herrscht immer noch viel Unsicherheit auf diesem Gebiet. Was sind eigentlich gesunde Gebäude, wie werden sie am besten entworfen und welche Rolle spielen Tageslicht und frische Luft bei diesem Prozess? Das diesjährige «VELUX Daylight Symposium» in Paris, Frankreich, bot über 600 Forscherinnen und Forschern sowie Brancheninsidern eine Plattform, um Wege in die Zukunft zu diskutieren.

Nach vielen Jahren der Vernachlässigung werden die Vorteile von Tageslicht für das menschliche Wohlbefinden, die Gesundheit und das visuelle Vergnügen in der Branche wiederentdeckt. Insbesondere Architekten fungieren als Wegbereiter in diesem Bereich, inspiriert vom Vorbild grosser Meister wie Louis Kahn. Für Kahn war Tageslicht unauflöslich mit Architektur verknüpft: «Architektur entsteht, wenn Sonnenlicht auf eine Wand trifft.»

Wie aber lässt sich dieses intuitive Wissen in gesündere, besser mit Tageslicht beleuchtete Gebäude mit viel frischer Luft übersetzen? Und wie lassen sich der Baubranche und der allgemeinen Öffentlichkeit die Vorteile von Tageslicht vermitteln? Dies waren zwei der wichtigsten Fragen, die auf dem «VELUX Daylight Symposium» diskutiert wurden, das am 10. Oktober im «Carreau du Temple» im Zentrum von Paris, Frankreich, stattfand. Schon der Veranstaltungsort ist ein Symbol dafür, wie sehr die Kraft des Tageslichts in unseren Gesellschaften lange Zeit in Vergessenheit geraten war: Die im Jahr 1860 aus Stahl und Glas erbaute Markthalle stand während des Grossteils des 20. Jahrhunderts leer und hätte schon einige Male abgebrochen werden sollen. Zum Glück erhob sich ein Sturm der Entrüstung unter den Anwohnern, die mit ihrer Forderung nach dem Erhalt dieses Wahrzeichens einen Umschwung in der politischen Meinung bewirkten. Im Jahr 2007 wurde ein Architekturwettbewerb ausgerufen, in dessen Zuge die Markthalle zu dem lichtdurchfluteten Veranstaltungsort wurde, der sie heute ist.

Umwandlung des vorhandenen Gebäudebestands

Nicolas Michelin, Gründer des Pariser Architekturbüros ANMA, war der erste der über 40 Redner, die am Symposium sprachen. In seiner Keynote-Präsentation hob er erneut die wichtige Rolle von Tageslicht und frischer Luft beim Umbau historischer Bauten hervor – vom Entwurf eines neuen Dachs für das römische Amphitheater im französischen Nîmes (im Jahr 1988 gemeinsam mit Finn Geipel) bis hin zur Umnutzung einer ehemaligen Michelin-Fabrik in Clermont-Ferrand, Frankreich, in einen Wohngebäudekomplex, an der ANMA derzeit arbeitet. Grosse, tageslichtdurchflutete Räume, die Treffpunkte für Menschen bieten, sind ein in der Arbeit von ANMA immer wiederkehrendes Motiv. Am ARTEM-Universitätscampus in Nancy, Frankreich, bildet eine 700 m lange, natürlich belüftete und mit farbigem Glas überdachte Galerie einen zentralen Treffpunkt und Zugangsknotenpunkt. Ganz ähnliche Funktionen erfüllt das 140 m lange Atrium – ein für französische Wohngebäude ganz unübliches Merkmal – des ANMA-Wohnbauprojekts im Bezirk Bassins à Flots in Bordeaux, Frankreich.

In ähnlicher Manier versucht der in Paris ansässige Architekt Hugh Dutton mit seinem Büro HDA beim Umbau des Hôtel de la Marine im Zentrum der französischen Hauptstadt, Poesie und Technik zu vereinen. Das palastartige frühere Hauptquartier der französischen Marine wird zu einem Museum und damit erstmals seit zwei Jahrhunderten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das entscheidende Element des Entwurfs ist der überdachte Innenhof, der nach seiner Fertigstellung als zentraler Versammlungsort dienen wird. «Das Skylight des Hôtel de la Marine, an dem wir mit Unterstützung der VELUX Stiftung arbeiten, bietet Gelegenheit, das Tageslicht zu zelebrieren und mit ihm den Eingangshof dieses nun öffentlich zugänglichen Wahrzeichens zum Leben zu erwecken», so Dutton. Fortschrittliche Techniken zur Simulation von Tageslicht und profunde Kenntnisse von Materialeigenschaften haben eine wichtige Rolle beim Entwurf gespielt, da der schmale Innenhof bislang sogar mitten im Sommer nur wenige Stunden direktes Sonnenlicht erhält.

Ein neuer Trend zur Quantifizierung

Im Fall des Hôtel de la Monnaie bietet der überdachte Innenhof einen zusätzlichen Mehrwert, um den der Eigentümer des Gebäudes ursprünglich gar nicht gebeten hatte. So etwas ist noch immer recht typisch für den Bausektor, in dem sich die Gebäudeeigentümer auf die gute Beratung durch kompetente Architekten verlassen müssen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Laut Ronald Schleurholts, Inhaber des niederländischen Architekturbüros cepezed, lassen sich viele Kunden auch durch falsche Anreize verleiten: «Die derzeitigen Nachhaltigkeitsstandards zielen bei Orten und Funktionen, die explizit Tageslicht benötigen, darauf ab, genau dieses zu minimieren. Der Architekt sollte dann auch ungefragt dafür eintreten, das grosse Potenzial des Tageslichts nutzbar zu machen. Wir sind der festen Überzeugung, dass sich mit Tageslicht bessere, gesündere und inspirierendere Umgebungen schaffen lassen», so Schleurholts.

Werner Osterhaus, Architekt und Professor für Beleuchtungsdesignforschung an der Universität Aarhus, weist darauf hin, dass Architekten nun ein Tool zur Verfügung steht, das ihnen bei ihren entsprechenden Bemühungen hilft. «Die neue europäische Tageslichtnorm 17037 ist von unschätzbarer Bedeutung, da sie vier entscheidende Qualitäten für die Beleuchtung mit Tageslicht definiert, die wichtige Aspekte des menschlichen Wohlbefindens gewährleisten.» Neben der Intensität und Verteilung des Tageslichts in einem gegebenen Raum gehören dazu auch die Aussicht aus dem Fenster, das Ausmass und die Dauer der direkten Sonnenbestrahlung sowie der Lichtkomfort. Dank dieses breit gefassten Ansatzes erhalten Gebäudeentwickler mit der neuen Norm ein ganzheitliches Instrumentarium, mit dem sich die Vorteile von Fenstern und Tageslicht in Gebäuden umfassend quantifizieren und kommunizieren lassen.

Nach Überzeugung von Vivian Loftness, Professorin an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA, ist ein gewisses Mass an Quantifizierung unerlässlich, damit sich Investoren für hochwertige Tageslichtlösungen entscheiden. Sie illustriert dies am Beispiel eines Lichtbandes in einer Bürofassade, mit dem das Tageslicht tiefer in die Büroräume reflektiert und so der Bedarf an elektrischer Beleuchtung verringert wird. Gemessen an den Energiekosten allein wird sich dieses architektonische Element erst nach über acht Jahren amortisiert haben – länger, als für die meisten Investoren akzeptabel sein dürfte. Werden aber eingesparte CO2-Emissionen und die gesundheitlichen Vorteile für die Beschäftigten mit in die Gleichung aufgenommen, fällt die Amortisationszeit auf weniger als ein Jahr.

Nach Ansicht von Loftness sollte die Lebensfreude der Menschen, die ein Gebäude nutzen, bei dessen Entwurf immer im Mittelpunkt stehen. Dies setzt allerdings eine Abkehr von versiegelten Gebäuden mit tiefen Grundrissen voraus, die weder den Menschen noch dem Planeten helfen und zudem nicht mit Stromausfällen zurechtkommen. Stattdessen, findet Loftness, «brauchen wir Systeme, die so oft wie möglich ausgeschaltet bleiben – Gebäude, die stunden-, tage- und monatelang oder sogar während ganzer Jahreszeiten einfach ‹treiben› können.»

Höhere Mieten für gut mit Tageslicht beleuchtete Gebäude

Inzwischen wird immer deutlicher, dass die Immobilienmärkte dieser Ansicht zustimmen und dass sich für Gebäude mit besserer Aussicht und mehr Tageslicht tatsächlich höhere Mieten erzielen lassen. Laut einer durch Christoph Reinhart, Leiter des Gebäudetechnik-Programms am MIT in Cambridge, USA, vorgestellten Studie liegen die Mieten für gut mit Tageslicht beleuchtete Gebäude in Manhattan, New York, durchschnittlich 5 % über denen mit schlechter Tageslichtversorgung. [1] Reinhart und seine Kollegen haben im Rahmen ihrer Analyse über 5000 Mietverträge in über 900 Gebäuden in den meisten Gegenden der Insel untersucht. Die Studie zeigt ausserdem, dass gute Tageslichtversorgung angesichts der hohen Bebauungsdichte in Manhattan eher eine Seltenheit ist: Fast drei Viertel der untersuchten Gebäude wiesen eine sehr schlechte bis schlechte Versorgung auf.

Insbesondere im Technologiesektor, in dem oft junge Menschen arbeiten, lernen viele Arbeitgeber inzwischen die Vorteile gesünderer Gebäude, die die Menschen wieder mit der Natur in Berührung bringen, zu schätzen. Dies hat wiederum dazu geführt, dass neue Akteure auf den Bausektor drängen. Die simulierten natürlichen Umgebungen, die diese anbieten – von grünen Wänden bis hin zu Landschaftsbildern, die auf ansonsten leere Bürowände projiziert werden –, sind jedoch ein unzureichender Ersatz für die beruhigende Wirkung eines Blickes aus dem Fenster oder den belebenden Effekt einer guten Dosis Tageslicht auf den menschlichen Körper und Geist. Soweit die Erkenntnisse von Lisa Heschong, Mitbegründerin der Heschong Mahone Group und eine der einflussreichsten Vertreterinnen der Tageslichtforschung in den Vereinigten Staaten, im Rahmen ihrer Keynote-Präsentation auf dem «Daylight Symposium».

Wissenschaftlich fundierte Intuition

Unter Gebäudedesignern wächst aber auch die Erkenntnis, dass Quantifizierung alleine noch nicht ausreicht. Viele Aspekte des Bauens unter Einbezug von Tageslicht, wie Aussicht und Blendung, hängen stark vom subjektiven Empfinden ab und werden wohl niemals zu 100 % messbar sein. Ebenso wenig wird sich der Zusammenhang zwischen Tageslicht und dem jeweiligen Ort oder der jeweiligen Kultur oder aber der Vorteil der Verbundenheit der Menschen in den Gebäuden mit dem Klima im Freien je in Zahlen fassen lassen.

Besonders deutlich wurde das in der Keynote-Präsentation von Hiroshi Sambuichi, eines japanischen Architekten und Preisträgers des von den VELUX FOUNDATIONS und der VELUX Stiftung vergebenen 2018 Daylight Award. Die Projekte von Sambuichi, wie die Naoshima-Halle im Süden Japans oder seine Observatorien auf dem Berg Misen und dem Berg Rokko, stehen für sein Konzept der «beweglichen Materialien» Sonne, Wind und Wasser. Die gegenseitigen Interaktionen und die ständig wechselnden physikalischen Eigenschaften dieser natürlichen Ressourcen – von einer kühlenden Brise im Sommer bis zum von Sonnenstrahlen durchleuchteten Herbstnebel oder das filigrane Kunstwerk des weissen Raureifs auf Drahtgeflecht – werden in Sambuichis Architektur erfahrbar und definieren wiederum die Form seiner Bauwerke. Im Ergebnis entsteht, was Sambuichi als «endemische Architektur» bezeichnet – eine fest mit ihrem Standort verwurzelte Architektur, die an anderer Stelle nicht denkbar wäre.

Hiroshi Sambuichis Architektur basiert auf seiner geduldigen Beobachtung natürlicher Phänomene und stützt sich auf Versuche mit massstabsgetreuen Modellen ab, bei denen er Aspekte wie die Luftzirkulation im Gebäude studiert. Auch andere während des «VELUX Daylight Symposiums» vorgestellte Projekte haben gezeigt, wie sich mit Erfahrung und Intuition, unterstützt durch moderne Wissenschaft, innovative Ergebnisse erzielen lassen. Ein gutes Beispiel ist der durch Chartier Dalix Architectes und die Landschaftsarchitekten SLA entworfene, gemischt genutzte Wohn- und Bürokomplex, der bald über einem Teil des Boulevard Périphérique, der Ringautobahn um Paris, entstehen wird. Gebäude und Natur vereinen sich in diesem Projekt zu einem integrierten Ganzen mit begrünten Dächern und Fassaden sowie mit einem erhöhten grünen Innenhof. Das Ergebnis ist nicht nur optisch faszinierend, es basiert auch auf harten wissenschaftlichen Fakten. Denn Verteilung und Auswahl der Pflanzen richten sich nach ihrer Fähigkeit, die Stadtluft zu reinigen. Tageslicht und Belüftung sind in diesem Projekt in einen breiter angelegten biophilen Entwurf integriert, der zu einem faszinierenden Teil des urbanen Geflechts zu werden verspricht, das Paris nach Jahrzehnten der Trennung wieder mit den benachbarten Gemeinden verbindet.

[1] In dieser Studie wurde als Messgrösse für die erfügbarkeit von Tageslicht die räumliche Tageslichtautonomie (spatial Daylight Autonomy, sDA) verwendet (sDA 300 lux / 50 %). Räume mit einer sDA über 55 % wurden als gut mit Tageslicht versorgt angesehen.

 

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Über die VELUX Gruppe

Als weltweit grösster und führender Hersteller von Dachfenstern und seinen ergänzenden Produkten steht VELUX für Licht, Luft und Ausblick im Dachgeschoss – drei Merkmale, die das Leben in Millionen von Häusern und Wohnungen auf der ganzen Welt vervollkommnen. Das Unternehmen wurde 1941 von Villum Kann Rasmussen mit der Vision gegründet, mehr Tageslicht und Frischluft in die Häuser zu bringen und so die Lebensqualität in Wohn- und Arbeitsräumen zu steigern. Heute umfasst die Produktpalette von VELUX neben Dachfenstern und anspruchsvollen Dachfensterlösungen für geneigte und flache Dächer unter anderem Sonnen- und Hitzeschutzprodukte, Aussenrollläden, Installationslösungen sowie intelligente Haussteuerungssysteme. Die internationale VELUX Gruppe zählt mit mehr als 10’000 Mitarbeitern, Produktionsstandorten in 11 Ländern und Vertriebsgesellschaften in mehr als 40 Ländern zu den grössten Produzenten von Baumaterialien weltweit. In der Schweiz beschäftigt VELUX rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. www.velux.ch